Es gibt Interpretationen, über denen eine besondere Art der Stille liegt: Stille, die weder Schläfrigkeit noch demütige Ergebung bezeichnet, sondern ein Zurücktreten ins eigene Innere, bei dem die Außenwelt vom Individuum abfällt und – vielleicht?! – Platz schafft für etwas ganz Neues, eine Art Wiedergeburt. Das Zusammenwirken von Roman Trekel und Hideyo Harada in Schuberts »Winterreise« zählt zu dieser Art künstlerischer Ereignisse. Der Komponist lässt seinen epochalen Zyklus von 1827 ja nicht, wie noch die drei Jahre früher komponierte »Schöne Müllerin«, versöhnlich in einen sanften, pantheistisch hinterlegten Tod münden. Hier ist es vielmehr so, dass sich dem verzweifelten Winterreisenden im letzten der 24 Lieder schon im Irdischen eine würde-, wenn auch nicht unbedingt heilvolle Alternative öffnet: ein mögliches Leben bewussten Außenseitertums, vielleicht sogar an der Seite Gleichgesinnter und basierend auf einer stolzen Nüchternheit, die aber gerade in dieser radikalen Desillusionierung endlich aus ihrer Selbstfixierung auszubrechen vermag. Plötzlich werden solche, in der bisherigen Innenwelt des Wanderers ziemlich funktionslose, Begriffe wie »Mitleiden« und »Mut« (zwei Lieder eher schon angetestet) wieder oder überhaupt erstmals möglich.
Trekel und Harada warten in ihrer Interpretation bis zur letzten Strophe, ehe sie mit der direkten Ansprache an den sozial deklassierten Leiermann diese Katharsis eintreten lassen. Doch alles, was vorher klingend geschehen ist, bekommt nun noch einmal eine andere Perspektive und Sinnerfüllung, weil diese Neu-Öffnung erst möglich wurde, nachdem sich der einsame Wanderer aller Züge von Rebellion und Trotz entleert und in der Würde seiner tiefen, still-gefestigten Traurigkeit und deren Aussingen eine poetische Distanz zum eigenen Schicksal gewonnen hat, die in allen Schmerzen dennoch auch vom Tröstenden oder wenigstens der Hoffnung darauf weiß – und sei es auch nur in der Erinnerung. Was Trekel und seine ihn adäquat und feinfühlig umhüllende, auf hohe Durchsichtigkeit bedachte Begleiterin artikulieren, ist somit weniger das direkte Erleben der einzelnen Stationen als bereits deren Reflexion, in der die gleichsam expressionistischen Züge des Zyklus, seine deklamatorischen und harmonischen Schroffheiten, ins abgründig Melancholische, manchmal Depressive gemildert sind, ohne deswegen verloren zu gehen. Gewiss streifen die Metaphern des Dichters Wilhelm Müller – bleierne Müdigkeit, das Knirschen des Eises, Hundegeknurr oder Hahnenschrei –, die in ihrer realen Klangwerdung zunächst dem Klavier anvertraut sind, auch die vokale Ebene. Doch sie tun es in der lyrisch-selbstreflexiven Ausdruckswelt des Baritons kaum mehr mit unmittelbar zupackender physischer Gewalt, sondern wie durchziehende Traumschatten, die, gemäß einem Sprachbild Rilkes, »im Herzen aufhören zu sein«: unverlierbar, aber auch angenommen, verarbeitet und integriert.
Demgemäß erlebt das Miteinander der beiden Interpreten immer da besondere Kulminationspunkte, wo wirklich von Träumen geredet wird. Im »Lindenbaum« etwa, dieser Suche nach einer inneren Heimat, dessen Klavierritornelle zunächst fast frühlingshaft perlen und leuchten, ehe dann die »kalten Stürme« das Bild umso nachhaltiger aufbrechen; oder im ganz versunkenen, geradezu abwesenden Beginn des »Frühlingstraums«. Nichts wird überartikuliert in dieser Innenschau, beide Partner bewegen sich über weite Strecken behutsam, artikulatorisch meist in rund fließenden Legati und gemessenen Tempi sowie klangfarblich feinst abgestuft, im Sinne eines intimen Kammerspiels; die Abrechnung mit dem frostig-lieblosen Zeitgeist schwingt allenfalls untergründig mit. Vielleicht kommt Schuberts »Winterreise« in dieser Interpretation, gerade wegen ihrer Zurücknahme ins ganz Individuelle, unserer Gegenwart, welche – wie die damalige Restaurationsepoche für den Komponisten und seinen Freundeskreis – eine des Abschieds von lange gehegten Schein-Gewissheiten ist, besonders nahe.
Programm 1
Programm 2
Programm 3
Programm 4
Programm 5
»Unter den jüngeren deutschen Baritonen hat er die schönste Stimme mit idealer Resonanz und Energiekonzentration. Noch wichtiger ist, dass er in Klängen zu denken versteht...«, wie Roman Trekel die Frankfurter Allgemeine Zeitung attestierte. Weltweit begeistert der Bariton seit Jahren Publikum und Presse in seinen Opernauftritten und mit gefeierten Liedinterpretationen.
Dabei hatte der in Pirna bei Dresden geborene Roman Trekel zunächst eine ganz andere musikalische Richtung eingeschlagen und acht Jahre lang Oboe erlernt. 1980 wechselte er aber schließlich an die Hochschule für Musik in Berlin, wo er sein Gesangsstudium bei Professor Heinz Reeh aufnahm. 1986 schloss er diese Ausbildung mit dem Prädikat „Ausgezeichnet“ ab.
1986-88 war Roman Trekel Mitglied des Opernstudios der Deutschen Staatsoper Berlin und wurde 1988 in das Ensemble der Deutschen Staatsoper Berlin übernommen wo er derzeit u. a. Partien wie Orpheus/Orpheus von Telemann, Graf/Le Nozze di Figaro, Guglielmo und Don Alfonso/Cosi fan tutte, Papageno/Die Zauberflöte, Figaro/Der Barbier von Sevilla, Zar Peter/Zar und Zimmermann, Wolfram/Tannhäuser, Heerrufer/Lohengrin, Konrad Nachtigall/Die Meistersinger, Gunther/Götterdämmerung, Amfortas/Parsifal, Ford/Falstaff, Fürst Jeletzki/Pique Dame, Silvio/I Pagliacci, Marcello/La Bohème, Sharpless/Madame Butterfly, Harlekin/Ariadne auf Naxos, Olivier/Capriccio, Goldschmied Leonhard/Brautwahl von Busoni singt. Sein erster großer Erfolg, mit dem er auch international auf sich aufmerksam machte, war die Partie des Pelléas in einer Neuproduktion der Deutschen Staatsoper Berlin in der Regie von Ruth Berghaus unter der musikalischen Leitung von Michael Gielen.
Seit 1989 hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.
Roman Trekel erhielt mehrere Preise bei internationalen Gesangswettbewerben, u. a. 1989 den 1. Preis beim Internationalen Liedwettbewerb ‚Walter Gruner‘ in London.
Eine umfangreiche Konzerttätigkeit und Einladungen zu Liederabenden folgten. Bei seinem Debut bei der Schubertiade Feldkirch 1993 wurde er von der Presse als ‚Entdeckung‘ gefeiert. Soloabende in der Alten Oper Frankfurt, dem NDR Hannover, der Kölner Philharmonie, bei den Salzburger Festspielen, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern sowie den Festivals von Ludwigsburg, Rheingau, Schleswig-Holstein und Schwetzingen, der Wigmore Hall London, Zürich, Brüssel, Atlanta, Chicago, New York, eigene Liederabendreihe an der Deutschen Staatsoper Berlin; Orchesterkonzerte u. a. in Amsterdam, dem Konzerthaus und dem Musikverein Wien, mit den Berliner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Sinfonieorchester des Mitteldeutschen Rundfunks, den Münchner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Cleveland Orchestra, dem Israel Philharmonic Orchestra.
Roman Trekel wirkte außerdem beim Flandern-Festival, dem Maggio Musicale Fiorentino, den Salzburger Festspielen und dem Festival für Alte Musik in Innsbruck; Gast u. a. an den Opern Amsterdam, Brüssel, Catania, Covent Garden London, Florenz, Genf, Madrid, in Japan, den Staatsopern von München und Dresden sowie der Deutschen Oper Berlin. Seit 1996 war Roman Trekel regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen zu hören, wo er 1999 den Heerrufer in der Lohengrin-Neuproduktion und 2002 den Wolfram in Tannhäuser sang.
Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Michael Gielen, Eliahu Inbal, René Jacobs, Marek Janowski, Fabio Luisi, Zubin Mehta, Ingo Metzmacher, Kent Nagano, Antonio Pappano, Helmut Rilling, Sir Georg Solti, Horst Stein, Christian Thielemann, Lothar Zagrosek sowie den Regisseuren Philippe Arlaud, Ruth Berghaus, Fred Berndt, Nicolas Brieger, Patrice Chereau, Doris Dörrie, August Everding, Erhard Fischer, Harry Kupfer, Nikolaus Lehnhoff, Jonathan Miller, Alexander Schulin, Keith Warner.
Private Studien bei Dietrich Fischer-Dieskau.
Bei seinen Liederabenden arbeitet er mit Daniel Barenboim, Irwin Gage, Helmut Deutsch, Elena Bashkirova, Oliver Pohl, Burkhard Kehring und Hideyo Harada zusammen.
Von den zahlreichen CD- und DVD-Produktionen, die inzwischen mit Roman Trekel erschienen sind (Harmonia Mundi, Teldec Warner, Berlin Classics, Oehms Classics, Arte Nova, CPO, Naxos, Arthaus Musik), wurde unter anderen der Orpheus von Teleman mit dem Deutschen Schallplattenpreis 1998 ausgezeichnet.
Auftritte bei Rundfunk- und Fernsehsendungen. Dezember 2000 Verleihung des Kammersängertitels.
»Ob glühende Emotion oder traumverlorene Poesie, ob sanft oder wild: Harada lässt sich von der Musik mitreißen, vom zarten Akkord bis zur Raserei schöpft sie alle Gefühlsregungen klanglich aus«, so die Süddeutsche Zeitung über die japanische Pianistin. Mit ihrem breitgefächerten Repertoire ist sie heute ein gern gesehener Gast bei internationalen Festivals und konzertiert mit bedeutenden Orchestern.
Haradas Vielseitigkeit spiegelt sich ebenfalls in ihrer umfangreichen Diskografie, die neben Werken von Samuel Feinberg und Michio Mamiya ebenso Kompositionen von Schubert, Chopin, Schumann, Grieg und Skrjabin umfasst. Die englische Musikzeitschrift Gramophone nahm ihre Einspielung mit Werken von Tschaikowski und Rachmaninow in die Rubrik Gramophone recommends auf und attestierte: »Two great Russian piano masterpieces in a subtle and soulful recording. Hideyo Harada offers a reading that thrills.« Neben einem über mehrere Spielzeiten angelegten Schubert-Zyklus, den sie gemeinsam mit namhaften Partnern in Tokio realisierte, nimmt auch die Pflege zeitgenössischer Musik einen wichtigen Stellenwert im Schaffen der Pianistin ein.
Hideyo Harada studierte zunächst in Tokio, bevor sie ihre Ausbildung in Stuttgart, Wien und Moskau fortsetzte. Die Künstlerin wurde bei zahlreichen Wettbewerben preisgekrönt und gewann u. a. den Concours International d’Exécution Musicale in Genf sowie den 1. Preis beim Internationalen Schubert-Wettbewerb in Dortmund. Darüber hinaus war sie Preisträgerin beim Internationalen Rachmaninow-Wettbewerb in Moskau. Seitdem gastierte sie u. a. beim Schleswig-Holstein Musik Festival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, dem MDR-Musiksommer, dem Beethovenfest Bonn, dem Rheingau Musik Festival, dem Heidelberger Frühling, dem Mozartfest Würzburg, den Ludwigsburger Schlossfestspielen, dem Musikfest Stuttgart, dem Yokohama International Piano Festival und dem Grand Piano Festival in Amsterdam. Wichtige Stationen ihrer Karriere waren das Moskauer Tschaikowski-Konservatorium, der Wiener Musikverein, das Berliner Konzerthaus, das Gewandhaus Leipzig, die Alte Oper Frankfurt, die Stuttgarter Liederhalle, die Genfer Victoria Hall, das Prager Rudolfinum oder die Suntory Hall Tokio. Hideyo Harada konzertierte mit zahlreichen Orchestern, so etwa mit dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI, dem Stuttgarter Kammerorchester, dem Orchestre de Cannes, der Filarmonica George Enescu Bukarest, dem National Polish Radio Symphony Orchestra, dem Russian State Symphony Orchestra, dem Seoul Philharmonic Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra, dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra oder dem New Japan Philharmonic Orchestra. Zu ihren Partnern am Pult zählten dabei Dirigenten wie Petr Altrichter, Christian Arming, Piero Bellugi, Pietari Inkinen, Cristian Mandeal, Tadaaki Otaka, Vladimir Valek oder Marcello Viotti.
Im Rahmen von Kammermusikabenden arbeitet Hideyo Harada u. a. mit dem Borodin Quartett, den Geigern Latica Honda-Rosenberg und Mikhail Simonyan, dem Cellisten Jens Peter Maintz und dem Bariton Roman Trekel. Neben Aufnahmen bei internationalen Rundfunk- und Fernsehanstalten liegen mehrere mit Preisen bedachte Einspielungen der Pianistin vor.