„O Asia, das Echo von dir“
Eine Wort-Musik-Collage zu Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven
Konzept und Hintergrund

Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven: 1770 erblicken sie beide das Licht der Welt. Doch es verbindet sie weit mehr als nur eine Jahreszahl. Sie haben Werke von eruptiver Kraft geschaffen, haben Grenzen überwunden und Konventionen gesprengt. Hölderlins ekstatische Lyrik und Beethovens subjektive Klangsprache waren in der Lage, die Zeitgenossen zu verstören und geben bis heute Rätsel auf.

Verblüffend gleichtönend sind die Schlagworte, die beider Biografien prägen. Isolation lautet eines davon. Ein einsames Leben führen beide. Der Welt zeigen sie sich höchst eigenwillig und sonderbar, fügen sich nur schwer in gesellschaftliche Schemata. „Mit einem feurigen, lebhaften Temperamente geboren, selbst empfänglich für die Zerstreuungen der Gesellschaft, musste ich früh mich absondern, einsam mein Leben zubringen“, benennt Beethoven sein Schicksal, das ausgerechnet für ihn, den Komponisten, den Hörverlust vorgesehen hat. Hölderlin hätte ihn verstanden: 36 Jahre – seine gesamte zweite Lebenshälfte – verbringt er, von psychischen und physischen Leiden gequält, in der Abgeschiedenheit des berühmten Tübinger Turmzimmers. Vom Leben abgesondert…

Revolution ist ein weiteres Schlagwort: Für die Französische Revolution können sie sich begeistern – und sind gleichermaßen tief enttäuscht von deren Ausgang. Was für Hölderlin wie Beethoven folgt, ist die Suche nach anderen Strömungen, in denen sie ihre humanistischen Ideale verwirklicht finden können, aber die sie auch mit der zunehmenden Orientierungslosigkeit ihrer Gegenwart versöhnen. Der einst zum „europäischen Prometheus“ stilisierte Napoleon entzaubert sich ebenso schnell wie eine Gesellschaft, die von der Aufbruchstimmung bald wieder in alte Konventionen zurückfällt. Ergebnis dieser Enttäuschung sind sowohl bei Hölderlin, wie auch bei Beethoven Werke, die Fragen stellen, aber keine Antworten mehr geben. Beider Sehnsuchtsorte liegen dabei im Osten. Indische Geisteswelten, östliche Religionsphilosophien und persische Lyrik werden selbst für Beethoven in seiner späten Schaffensphase zu neuen Inspirationsquellen.

Obwohl Beethoven und Hölderlin sich nie begegnet sind: Auf einer höheren Ebene – mit ihrer Sehnsucht nach dem Letzten, das sie „Osten“ nannten – da trafen sie sich. Hölderlin stellte sich in seinem Aufsatz Über Religion eine Weltökumene vor. Das tat Beethoven auch. In jener Zeit war das fast eine Ungeheuerlichkeit. Mit diesem ökumenischen Denken waren beide ihrer Zeit gut 200 Jahre voraus. Im 21. Jahrhundert ist Beethovens und Hölderlins gemeinsamer gedanklicher Horizont aktueller denn je – ihre Hinwendung zur Welt, der sich abzeichnende Dialog der Kulturen und nicht zuletzt ihre Auseinandersetzung mit geistigen Konzepten, die den Menschen in den Fokus stellen und religiöse Dogmen weit hinter sich lassen.

Ausgehend vom Doppeljubiläum Beethovens und Hölderlins im Jahr 2020, haben Corinna Harfouch und Hideyo Harada beider Gemeinsamkeiten sowie unentdeckten Seiten nachgespürt. Hinter Worten und Tönen sind sie auf überraschende Verbindungslinien zwischen Kunst und Leben dieser herausragenden Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts gestoßen. Ihre Interessen, ihre Ausdrucksmittel, ihre Vorlieben, ihre Prägungen, ja selbst ihr (geheimes) Liebesleben geben zahllose Gemeinsamkeiten preis. Eine Textcollage aus Gedichten, Hymnen und Elegien Hölderlins, Auszügen aus dessen Roman Hyperion sowie philosophischen Betrachtungen der griechischen Antike trifft auf musikalische Werke des Wiener Klassikers. Eng verknüpfen sich dabei Wort und Ton, gehen ineinander über oder auseinander hervor. Auch darstellerische Elemente werden mit einbezogen. All dies wächst zu einem außergewöhnlichen Programm zusammen, das weit über das übliche Format der musikalisch-literarischen Lesung hinausgeht und ein lebendiges Bild zweier überragender Künstler zeichnet.

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Corinna Harfouch

Corinna Harfouch zählt zu den bekanntesten deutschen Charakterdarstellerinnen in Film, Fernsehen und Theater. Nachhaltig und überzeugend verkörpert sie die Extreme der menschlichen Existenz. Ihre Darstellung gerät immer wieder auch zur Gratwanderung zwischen den Abgründen des Lebens.

Die in Suhl geborene Schauspielerin absolvierte ihr Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seit ihrer Ausbildung war sie auf allen wichtigen Bühnen zu sehen, u. a. spielte sie 2003 an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz die Titelrolle in Phaidras Liebe von Sarah Kane (Regie: Christina Paulhofer), 2004/05 in der Regie von Jürgen Gosch am Deutschen Theater die Martha in Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf? an der Seite von Ulrich Matthes (Einladung zum Berliner Theatertreffen und zu den Wiener Festwochen), 2010 am Staatstheater Stuttgart die Hauptrolle in Der Schmerz nach Marguerite Duras, 2013 am Schauspielhaus Zürich in Friedrich Dürrenmatts Die Physiker und 2015 am Schauspielhaus Hannover in Heiner Müllers Der Auftrag.

Weitere Gastspiele führten Corinna Harfouch u. a. auch zu den Salzburger Festspielen und ans Wiener Burgtheater. Am Deutschen Theater Berlin spielte sie die Hauptrollen in Im Schlitten Arthur Schopenhauers und Ihre Version des Spiels von Yasmina Reza. In jüngerer Zeit war und ist sie am Deutschen Theater Berlin in Phädra (Regie: Stephan Kimmig), Die Möwe (Regie: Jürgen Gosch), Persona und Birthday Candles (Regie: Anna Bergmann), am Staatstheater Hannover in Orlando und Annette. Ein Heldinnenepos (Regie: Lily Sykes) sowie am Gorki Theater in Berlin in Queen Lear (Regie: Christian Weise) zu sehen. Ihre besondere Vorliebe gilt der Rezitation, wofür ihr Lesetheater steht, eine eigene Matinee-Reihe im Deutschen Theater Berlin.

Seit ihrem Debüt vor der Filmkamera hat sie in mehr als 100 Film- und Kinoproduktionen mitgewirkt. Zu ihren bedeutendsten Filmen zählen Das Versprechen (1995) von Margarethe von Trotta, Sexy Sadie (1996) von Matthias Glasner, Das Mambospiel (1996) von Michael Gwisdek, Irren ist männlich (1996) von Sherry Hormann, Gefährliche Freundin (1996) von Hermine Huntgeburth, Knockin’ on Heaven’s Door (1997) von Thomas Jahn, Der große Bagarozy (1999) von Bernd Eichinger, Fandango (2000) von Matthias Glasner, Vera Brühne (2001) von Hark Bohm, Bibi Blocksberg (2002) von Hermine Huntgeburth, Blond: Eva Blond! (2002) und Der Untergang (2004) von Oliver Hirschbiegel, Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern (2005) von Dagmar Knöpfel, Whisky mit Wodka (2008) von Andreas Dresen, Im Winter ein Jahr (2008) von Caroline Link, This is Love (2009) von Matthias Glasner, Giulias Verschwinden (2010) von Christoph Schaub, Finsterworld (2013) von Frauke Finsterwalder, Der Fall Bruckner (2014) von Urs Egger, Viel zu nah (2017) von Petra K. Wagner, Wer hat eigentlich die Liebe erfunden? (2018) von Kerstin Polte, Lara (2019) von Jan-Ole Gerster, Kranke Geschäfte (2019) von Urs Egger, Ruhe! Hier stirbt Lothar (2021) von Hermine Huntgeburth und Immer der Nase nach (2021) von Kerstin Polte. Aktuelle Filme sind Das Mädchen mit den goldenen Händen (2022) von Katharina Marie Schubert und Alles in bester Ordnung (2022) von Natja Brunckhorst.

Für ihre Theaterarbeit wurde Corinna Harfouch mehrfach ausgezeichnet. Sie erhielt u. a. 1997 den Gertrud-Eysoldt-Ring für herausragende schauspielerische Leistungen und wurde im selben Jahr für ihre Rolle des General Harras in Des Teufels General (Regie: Frank Castorf) von der Zeitschrift Theater heute zur Schauspielerin des Jahres gekürt. Auch für ihre Filmarbeiten wurde Corinna Harfouch mit vielen Preisen geehrt, u. a. mit dem Bayerischen Filmpreis, Adolf-Grimme-Preis, Deutschen Fernsehpreis, Deutschen Filmpreis, Deutschen Schauspielerpreis, Günter-Rohrbach-Preis und Hessischen Filmpreis.

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Hideyo Harada

»Ob glühende Emotion oder traumverlorene Poesie, ob sanft oder wild: Harada lässt sich von der Musik mitreißen, vom zarten Akkord bis zur Raserei schöpft sie alle Gefühlsregungen klanglich aus«, so die Süddeutsche Zeitung über die japanische Pianistin. Mit ihrem breitgefächerten Repertoire ist sie heute ein gern gesehener Gast bei internationalen Festivals und konzertiert mit bedeutenden Orchestern.

Haradas Vielseitigkeit spiegelt sich ebenfalls in ihrer umfangreichen Diskografie, die neben Werken von Samuel Feinberg und Michio Mamiya ebenso Kompositionen von Schubert, Chopin, Schumann, Grieg und Skrjabin umfasst. Die englische Musikzeitschrift Gramophone nahm ihre Einspielung mit Werken von Tschaikowski und Rachmaninow in die Rubrik Gramophone recommends auf und attestierte: »Two great Russian piano masterpieces in a subtle and soulful recording. Hideyo Harada offers a reading that thrills.« Neben einem über mehrere Spielzeiten angelegten Schubert-Zyklus, den sie gemeinsam mit namhaften Partnern in Tokio realisierte, nimmt auch die Pflege zeitgenössischer Musik einen wichtigen Stellenwert im Schaffen der Pianistin ein.

Hideyo Harada studierte zunächst in Tokio, bevor sie ihre Ausbildung in Stuttgart, Wien und Moskau fortsetzte. Die Künstlerin wurde bei zahlreichen Wettbewerben preisgekrönt und gewann u. a. den Concours International d’Exécution Musicale in Genf sowie den 1. Preis beim Internationalen Schubert-Wettbewerb in Dortmund. Darüber hinaus war sie Preisträgerin beim Internationalen Rachmaninow-Wettbewerb in Moskau. Seitdem gastierte sie u. a. beim Schleswig-Holstein Musik Festival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, dem MDR-Musiksommer, dem Beethovenfest Bonn, dem Rheingau Musik Festival, dem Heidelberger Frühling, dem Mozartfest Würzburg, den Ludwigsburger Schlossfestspielen, dem Musikfest Stuttgart, dem Yokohama International Piano Festival und dem Grand Piano Festival in Amsterdam. Wichtige Stationen ihrer Karriere waren das Moskauer Tschaikowski-Konservatorium, der Wiener Musikverein, das Berliner Konzerthaus, das Gewandhaus Leipzig, die Alte Oper Frankfurt, die Stuttgarter Liederhalle, die Genfer Victoria Hall, das Prager Rudolfinum oder die Suntory Hall Tokio. Hideyo Harada konzertierte mit zahlreichen Orchestern, so etwa mit dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI, dem Stuttgarter Kammerorchester, dem Orchestre de Cannes, der Filarmonica George Enescu Bukarest, dem National Polish Radio Symphony Orchestra, dem Russian State Symphony Orchestra, dem Seoul Philharmonic Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra, dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra oder dem New Japan Philharmonic Orchestra. Zu ihren Partnern am Pult zählten dabei Dirigenten wie Petr Altrichter, Christian Arming, Piero Bellugi, Pietari Inkinen, Cristian Mandeal, Tadaaki Otaka, Vladimir Valek oder Marcello Viotti.

Im Rahmen von Kammermusikabenden arbeitet Hideyo Harada u. a. mit dem Borodin Quartett, den Geigern Latica Honda-Rosenberg und Mikhail Simonyan, dem Cellisten Jens Peter Maintz und dem Bariton Roman Trekel. Neben Aufnahmen bei internationalen Rundfunk- und Fernsehanstalten liegen mehrere mit Preisen bedachte Einspielungen der Pianistin vor.

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Everett Collection (Shutterstock)